Wenn wir uns als Therapeut:innen und Klient:innen im verkörperten Feld begegnen,
geschieht Veränderung nicht nur im Kopf, sondern in der ganzen Person.
In der Gestalttherapie ist Verkörperung keine abstrakte Idee, sondern ein unmittelbar erlebbarer
Prozess, der tief in die therapeutische Arbeit hineinwirkt.
Wie James Kepner in seinem Beitrag im letzten Gestalt Magazin betont, liegt die transformative Kraft körperorientierter Psychotherapie genau in diesem direkten, körperlichen Erleben.
Was ist dabei nach Kepner genau relevant für unsere gestalttherapeutische Praxis?
Was bedeutet ein verkörpertes Feld?
Ein verkörpertes Feld entsteht, wenn Klienten und Therapeuten in der therapeutischen Sitzung
gemeinsam einen Raum schaffen, in dem der Körper nicht nur als physischer Träger von
Symptomen wahrgenommen wird, sondern als integraler Bestandteil des Selbst. Es ist ein Raum,
der Klienten unterstützt, ihre eigene Verkörperung zu entwickeln und die tiefe Verbindung zwischen
Körpererfahrung und persönlichem Erleben zu spüren.
Kepner beschreibt, wie herausfordernd diese Praxis ist – besonders in der alltäglichen
Psychotherapie. Anders als in Workshops, in denen spezielle Übungen das verkörperte Feld fördern,
kommen Klienten im Praxisalltag oft aus einer entkörperten Welt des Alltags. Die kulturelle und
gesellschaftliche Trennung von Körper und Geist erschwert den Zugang zu körperlichen
Erfahrungen und erfordert von Therapeut:innen Geduld, Feingefühl und eine eigene bewusste
Verkörperung.
Die Verkörperung als Grundhaltung der Therapeut:in
Kepner betont: Verkörperung beginnt bei uns selbst.
Um Klienten in ihrer körperlichen Entwicklung zu unterstützen, ist es entscheidend, dass wir als
Therapeut:innen in Kontakt mit unserem eigenen Körper bleiben. Verkörpertes Zuhören und
verkörperte Empathie sind dafür wesentliche Werkzeuge. Das bedeutet, nicht nur mit dem Verstand,
sondern auch mit dem eigenen Körper wahrzunehmen, was der Klient sagt, tut und fühlt.
In der Praxis zeigt sich dies in einer besonderen Form der Resonanz, die Kepner als „modellhaftes
Miterleben“ beschreibt:
– Mit dem Körper hören: Wie fühlt sich das, was der Klient äußert, in meinem eigenen Körper an?
– Mit dem Körper antworten: Wie kann meine körperliche Präsenz und Haltung den Raum halten und die Erfahrung des Klienten spiegeln?
– Von Körper zu Körper kommunizieren: Verkörperte Empathie geht über Worte hinaus und öffnet den Raum für tiefes Verstehen und Heilung.
Die Herausforderung und Chance in jeder Sitzung
Jede Sitzung birgt die Aufgabe, das verkörperte Feld immer wieder neu zu nähren. Ein Feld, das
stark genug ist, um Klienten darin zu unterstützen, ihr eigenes körperliches Erleben als intrinsisch
für ihr Selbst zu begreifen. Dabei werden wir als Therapeut:innen oft auch mit unseren eigenen
Grenzen konfrontiert: Wo sind wir selbst noch entkörpert? Wie können wir diese Themen
reflektieren und in die eigene Entwicklung einfließen lassen?
Der Körper als Schlüssel
In einer Welt, die den Körper oft als Instrument oder Hülle sieht, ist die Arbeit der
körperorientierten Gestalttherapie von unschätzbarem Wert. Die Verbindung von Körper und Selbst
zu fördern, schafft nicht nur Heilung für den Einzelnen, sondern wirkt auch auf das Feld, das wir als
Gemeinschaft teilen.
Nun meine ganz persönliche direkte Frage an Dich: Was sind Deine Erfahrungen mit Verkörperung
gerade jetzt, in der therapeutischen Praxis oder im Alltag?
Der Artikel der diesem Beitrag zu Grunde liegt ist von James Kepner und ist als eine überarbeitete Fassung des Vortrags anlässlich der DVG Tagung in Bad Kissingen 2002 in der Fachzeitschrift Gestalttherapie des DVG erschienen.
Weitere interessante Artikel sind hier nachzulesen: www.gestalttherapie-zeitschrift.de